Literarische cafés

Ursprünglich sollten sie der entspannten Unterhaltung dienen - Kaufleute nutzten sie aber für ihre Arbeit, denn sie fanden dort Zeitungen in verschiedenen Sprachen mit Nachrichten aus aller Welt. Und schon bald wurden sie zum Zufluchtsort von Intellektuellen. Einige von ihnen, wie Slataper, hassten die Kaffeehäuser aufgrund des Müßiggangs, zu dem sie einluden; andere aber, wie Magris, zelebrierten sie.
Caffè degli Specchi, 1960 ca. – coll. Fototeca CMSA – ph. Ugo Borsatti

Das Wien am Meer

Die für Mitteleuropa typische Tradition der Kaffeehäuser als Orte der Begegnung, Arbeit und des Nachdenkens trifft in Triest auf eine literarische Berufung.

Das älteste Kaffeehaus der Stadt ist das Caffè Tommaseo. Als Zentrum für die Irredentisten im 19. Jahrhundert erinnert es sowohl an Niccolò Tommaseo, dem Dalmatiner Literaten und Autor des ersten Wörterbuchs der italienischen Sprache (von dem einige Autografen erhalten sind), als auch an Umberto Saba, der es in dem Gedicht Caffè dei negozianti (dem ersten Namen des Cafés) hochleben lässt. Im Caffè Garibaldi auf der Piazza dell’Unità trafen sich Svevo, Saba, Quarantotti Gambini, Voghera, Giotti, Bazlen und Stuparich. Joyce hingegen ging lieber in die Konditorei Pirona, um seinen Presnitz zu genießen, und ins Stella Polare, in der Nähe der Berlitz-Schule, wo er arbeitete.

Das viel besuchte Buffet da Pepi, bekannt als “Pepi s’ciavo” (abwertend für “slawisch”), wird von Fulvio Tomizza in Gli sposi di via Rossetti («Das Liebespaar aus der Via Rossetti», 1986) erwähnt. Im Buch wird die tragische Geschichte von Danica Tomažič, der Tochter des Besitzers, und ihrem Ehemann Stanko Vuk erzählt; zudem tritt der Schriftsteller Boris Pahor als Figur auf. Die Osteria Da Libero in der Via Risorta, die von Claudio Magris auf den Seiten des Corriere della Sera als «Gasthaus des Heiligen Trinkers» zelebriert wurde, ist dagegen fälschlicherweise mit dem Namen Joyce verbunden. Der Betreiber nannte sich zwar “Joyces Gastwirt”, da der Schriftsteller in der Nähe wohnte (Via Bramante), doch die Osteria gab es damals noch nicht. Das von dem Iren frequentierte Gasthaus, das auch heute noch von Studenten besucht wird, ist die Osteria da Robi in der Via Scussa.
Osteria, 1900 ca. - coll. priv.
Osteria, 1900 ca. - coll. priv.
Fulvio Tomizza al Caffè San Marco con la famiglia - coll. Fototeca CMSA - ph. Ugo Borsatti
Fulvio Tomizza al Caffè San Marco con la famiglia - coll. Fototeca CMSA - ph. Ugo Borsatti

«Das San Marco ist ein richtiges Kaffeehaus, Peripherie der Geschichte, gekennzeichnet durch die bewahrende Treue und den liberalen Pluralismus seiner Besucher. Pseudokaffeehäuser sind jene, in denen sich eine einzige Sippe breitmacht, ganz gleich ob von ehrbaren Damen, vielversprechenden jungen Leuten, alternativen Gruppen oder über alles und jedes Bescheid wissenden Intellektuellen. Jede Endogamie ist asphyktisch; auch die Internate, der Campus der Universitäten, die exklusiven Clubs, Pilotklassen und die kulturellen Symposien sind die Negation des Lebens, das ein offener Seehafen ist.»

Claudio Magris, Microcosmi (1997)

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