1719: The Big Bang
Im frühen 18. Jahrhundert war Triest ein kleines Fischerdorf an der südlichen Grenze des Heiligen Römischen Reiches. Es wurde vom österreichischen Haus Habsburg regiert, dem sich die Stadt 1382 freiwillig unterwarf und dem sie so ihr Schicksal überließ, um dem natürlichen Feind Venedig zu entkommen. Im Jahr 1719 erhob Kaiser Karl VI. Triest zum Freihafen, der frei von Zöllen und Steuern war. Die demographische und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt in den darauf folgenden zwei Jahrhunderten war schwindelerregend. Zu den einheimischen italienischen, deutschen und slowenischen Gemeinden gesellten sich griechische, serbische, albanische, türkische und armenische Kaufleute und Arbeiter. Triest wurde zu einer offenen, modernen, kosmopolitischen Stadt.
Die Planstadt
Pietro Kandler, Cartolare di Piani e Carte dal quale fu tratto l’albo presentato allo Imperatore nell’autunno, 1856 > coll. BC Hortis | Grundriss von Triest im Jahr 1718 (tav. 291)
Trieste del “sì”, del “ja”, del “da”*
* Carolus Cergoly, Latitudine nord, 1980
Population of Trieste*
Vor dem Krieg
In der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren die geopolitischen Ereignisse in Europa mit dem kontinuierlichen demografischen und wirtschaftlichen Wachstum der Stadt und den Forderungen nach Erneuerung von immer größeren Teilen der Bevölkerung verbunden.
Im Jahr 1863 wurde der Triester Turnverein Associazione Triestina di Ginnastica gegründet, der in den darauf folgenden Jahren aufgrund der irredentistischen Ansichten seiner Mitglieder von den österreichischen Behörden fünfmal aufgelöst wurde. 1903 wurde die Genossenschaft Cooperative Operaie di Trieste Istria e Friuli gegründet, um die Lebensbedingungen der Arbeiter durch gegenseitige Hilfsinitiativen und die Einrichtung von Sparfonds zu verbessern.
Der Krieg vor der Tür
Im Juli 1914 landeten die Särge von Erzherzog Franz Ferdinand, Thronfolger von Österreich und Ungarn, und seiner Frau Sophie, die bei einem Attentat in Sarajewo getötet wurden, in Triest: Das war der Beginn des Ersten Weltkriegs. 50.000 Triestiner, zumeist italienischsprachig, wurden an die russische Front nach Galizien geschickt. Als Rom in den Krieg gegen Wien eintrat, wechselten viele Irredentisten über die Grenze, um in die italienische Armee einzutreten.
Am Ende des Krieges, am 3. November 1918, legte der Zerstörer Audace an der Mole San Carlo an, die seitdem Molo Audace heißt. Die Stadt wurde Teil des italienischen Staates.
Die Aufstände von 1915
Im Mai 1915 erklärte Italien dem Österreich-Ungarn den Krieg und ein Teil der Triester Bevölkerung rebellierte, indem sie die Symbole der italienischen Kultur angriff. Italo Svevo vermerkte in seinem Tagebuch: «Der Sitz der Zeitung Il Piccolo steht in Flammen. Im klaren abendlichen Mondschein greifen die gigantischen roten Flammen jetzt auf die Häuser über […]. Plünderer und Brandstifter sind in sehr guter Stimmung.
Keiner hält sie auf. Eine gehetzte Frau mit feuchten Händen und einer schweißnasser Stirn kommt auf uns zu. […] Ich glaube, etwas rührt sich in ihrem Gewissen, denn sie kommt auf mich zu und hat das Bedürfnis, meine Zustimmung zu bekommen:
– “Wir sind alle Italiener. Aber sie haben sich wirklich erbärmlich verhalten. Einen Krieg zu beginnen, nachdem wir monatelang so viel gelitten haben.”»
Piazza Goldoni, ehemals Piazza della Legna, Sitz der Zeitung, um 1900 > coll. BC Hortis
Zwischen den beiden Kriegen
Zweiter Weltkrieg
Im Jahr 1940 trat Italien an der Seite Deutschlands in den Krieg ein und besetzte einen großen Teil des jugoslawischen Territoriums. Nach dem Sturz Mussolinis im Jahr 1943 schufen die Deutschen das Adriatische Küstenland und unterstellten die Stadt Triest dem Dritten Reich. Die Stadt erlebte das Grauen des KZ “Risiera” di San Sabba, in dem auch Giani Stuparich inhaftiert war. Schwere Bombenangriffe der Alliierten im Jahr 1944 zerstörten einen großen Teil des Industriegebiets und damit auch die Villa von Italo Svevo. Im Mai 1945, als sich der Krieg dem Ende zuneigte, marschierten Titos jugoslawische Truppen in die Stadt ein, besetzten sie 40 Tage lang, wobei sie mit großer Härte gegen politische Gegner und diejenigen vorgingen, die sich dem Anschluss der Stadt an Jugoslawien widersetzten. Die anglo-amerikanischen Alliierten übernahmen im Juni die Macht und richteten die Alliierte Militärregierung (AMG) ein, der 1947 die Einrichtung des Freien Territoriums Triest (FTT) folgte.
Das Risiera di San Sabba
In Triest hat das Wort “risiera” (eigentlich “Reisfabrik”) eine erschütternde Bedeutung. Im Herbst 1943 nahm das Nazikommando unter der Führung von Odilo Globočnik, einem deutschsprachigen Triestiner slowenischer Herkunft, eine reisverarbeitende Fabrik im Vorstadtbezirk San Sabba in Besitz und machte es zu einem Ort der Inhaftierung und Sortierung von Gefangenen, Gegnern und Juden, die für Lager in Nordeuropa bestimmt waren, zu einem Ort von Gewalt und Mord.
Laut Historiker durchliefen 20.000 Gefangene das Lager und mindestens 5.000 Opfer wurden dort verbrannt. Das Gebäude wurde in ein Museum umgewandelt und 1965 zum Nationaldenkmal erklärt.
Risiera di San Sabba, Außenansicht, um 1975 > coll. Fototeca CMSA – ph. Alfonso Mottola
Freies Territorium Triest
Das Freie Territorium von Triest (auf Italienisch: Territorio Libero di Trieste; auf Englisch: Free Territory of Trieste; auf Slowenisch: Svobodno Tržaško Ozemlje) ist ein unabhängiger Staat, der in Art. 21 des 1947 zwischen Italien und den Alliierten unterzeichneten Pariser Vertrags vorgesehen war, aber nie rechtlich zu Stande gekommen ist. Es war als entmilitarisiertes und neutrales Gebiet geplant, das bis zur Ernennung eines Gouverneurs – wozu es nie kam – provisorisch durch die anglo-amerikanischen Truppen regiert werden sollte. Ein keineswegs befriedeter Schwebezustand, mit dem das Phänomen des Exodus der italienischen Bevölkerung aus den Gebieten Istriens verbunden war und auf den sich die Aufstände vom November 1953 auswirkten, bei denen sechs Demonstranten, die für die Zugehörigkeit von Triest zu Italien kämpften, getötet wurden. Am 5. Oktober 1954 wurde in London eine Absichtserklärung zwischen Italien und Jugoslawien unterzeichnet: Triest kehrte unter die Kontrolle der italienischen Zivilverwaltung (Zone A) zurück, während ein Teil der Halbinsel Istrien (Zone B) an Jugoslawien ging.
Krieg und Frieden: Diego de Henriquez
Der Wissenschaftler und Sammler von Kriegsgeräten sowie Autor von informierten Tagebüchern war schon als Kind bei Spaziergängen im Karst von den Überresten des Ersten Weltkriegs fasziniert. Im Zweiten Weltkrieg sammelte er die erbeuteten Kriegsgeräte, indem er mit den wechselnden Kommandos der Besetzung von Triest verhandelte. Der exzentrische Mann schlief in einem Bett in Form eines Sarges und kam 1974 bei einem Brand in dem Lagerhaus, in dem er lebte, ums Leben. Die zahlreichen Zweifel über den Hergang des Unfalls regten gerichtliche und journalistische Untersuchungen an. Seine Geschichte und seine Sammlung gaben Anlass zur Gründung des nach ihm benannten “Kriegsmuseum für den Frieden” und inspirierten die Romane Verfahren eingestellt von Claudio Magris und Der Tod wirft lange Schatten von Veit Heinichen.
Diego de Henriquez in seinem Lager für Austellungsstücke rund um den Krieg, Trebiciano, 1971 > coll. CMDH
Eine Lange Nachkriegszeit
Der Exodus
Der “Exodus” der italienischen Bevölkerung aus Istrien, Dalmatien und der Kvarner-Bucht ist ein für mehrere Generationen traumatisches und schmerzhaftes Ereignis. Sie ließen alles zurück, rotteten sich in den in der Provinz Triest eingerichteten Flüchtlingslagern zusammen und wählten oft den Weg der Auswanderung nach Australien und Amerika.
Viele blieben jedoch in Triest, wo sich die Zusammensetzung der Bevölkerung ein weiteres Mal änderte. Der Istrianer Schriftsteller Fulvio Tomizza hat
dieses kollektive Drama erzählt.
Der “Exodus” aus den istrischen Ländern, 1954 > mit freundlicher Genehmigung von IRCI Regionales Institut für istrisch-fiumanisch-dalmatinische Kultur
-Nita, freust du dich, dass wir nach Triest gehen?
-Wann?
-Bald.
-Und wann kommen wir wieder zurück?
-Nein, wir kommen nicht zurück. Wir bleiben für immer in Triest.
-Wir auch?
-Wir auch.
-Und die bubune (Kühen)?
-Und die bubune nehmen wir mit.
-Und kann man die in Triest irgendwo grasen lassen?
-Wir werden schon was finden.
-Und wird Onkel sie weiden?
-Wir werden sehen. Warum, möchtest du nicht auch mitgehen?
-Ich, ja. Mittlerweile kennen sie mich, sie lassen sich sogar von mir die Fußfessel anlegen. Aber in Triest ist viel Verkehr. Wie soll ich sie bei so vielen Autos denn weiden lassen?
-Wir bringen sie an einen Ort, wo keine Autos sind. Und Bello bringt sie ja auch zurück oder?
-Aber besteht da nicht die Gefahr, dass er jemanden beißt? Stimmt es, dass es in Triest viele Auswärtige gibt?
-Das stimmt. Aber schlaf jetzt.
Aus Materada, Fulvio Tomizza, 1960
Foibe
Auch das Wort “foiba”, abgeleitet vom lateinischen fovea (Grube), ist in Triest mit schmerzhaften Ereignissen verbunden. In den tiefen Karsthöhlen, die über die Hochebene und Istrien verstreut sind, wurden Menschen geworfen. Sie wurden Opfer der Gewalt, die jugoslawische Partisanenverbände im Herbst 1943 und im Frühjahr 1945 gegen Soldaten, Zivilisten, vor allem Italiener, und Gegner des neuen sozialistischen Staates unter der Führung von Marschall Tito verübten.
Symbol dieser Gewalt ist die Foiba von Basovizza, ein stillgelegter Minenschacht im Triester Karst, der 1992 zum nationalen Denkmal erklärt wurde.