Der Orient
Der Prototyp des Reisenden des 19. Jahrhunderts – abenteuerlustig, unermüdlich, neugierig – ist zweifellos der Engländer Sir Richard Francis Burton, der nach einer lebenslangen Wanderschaft in der ganzen Welt in Triest eintraf, wo er bis zu seinem Tod blieb. Seine Pilgerfahrt nach Medina und Mekka, die er 1853 als Araber verkleidet unternahm, wurde in ganz Europa besprochen, ebenso wie seine Expeditionen auf der Suche nach den Quellen des Nils. Berühmt sind aber auch seine Bücher über Indien und Pakistan, die er in jungen Jahren als Offizier der britischen Ostindien-Kompagnie kennengelernt hatte, über Nord- und Südamerika, Island und Äquatorialafrika.
Sopra:
Von Nord Nach Süd
In die entgegengesetzte Richtung ging Domenico Lovisato. Der Istrier war so eng mit Triest verbunden, dass er sich wünschte, mit der Hellebardenflagge begraben zu werden. Nachdem er mit seinem Ziel einer Expedition in die Antarktis gescheitert war, brach er 1881 zu einer langen Forschungsreise durch Patagonien auf. Beschrieben hat er diese in einer Reihe von Tagebüchern, die heute in den Städtischen Museen für Geschichte und Kunst in Triest aufbewahrt werden. Auf einer seiner lange Zeit unveröffentlichten Seiten nimmt Lovisato die Theorie der Kontinentalverschiebung vorweg, die bereits 1859 von einem anderen Triester Reisenden und Literaten, Antonio Snider Pellegrini, aufgestellt worden war!
Von Aussen Nach Innen
Triest wurde Teil der Beschreibungen großer Abenteurer des 18. Jahrhunderts, wie Giacomo Casanova, der sich zwischen 1772 und 1773 hier aufhielt, und Lorenzo da Ponte, dem Librettisten von Mozart. Man findet es in den Beschreibungen der romantischen Reisenden auf der Grand Tour und in den Papieren vieler Diplomaten, die auch schrieben. Im Jahr 1874 hielt sich der französische Schriftsteller und Zeichner Charles Yriarte in Triest auf. Später veröffentlichte er einen bunten Reiseführer mit dem Titel Trieste e l’Istria, in dem er erklärte, er wolle eine Stadt bekannt machen, die vielen noch unbekannt war, aber boomte.
Triest and the Meaning of Nowhere (2001) ist die Geschichte einer Stadt, die anders ist als alle anderen, vielleicht undefinierbar, in der sich die Autorin Jan Morris widerspiegelt und in der sie die Wandlungsfähigkeit ihres eigenen Lebens wiederfindet. Sie kam 1945 als Offizier der britischen Armee nach Triest und kehrte, nachdem die Stadt wieder zu Italien gekommen war, mehrmals dorthin zurück – als die Frau, als die sie sich fühlte. Ihre Beschreibung ist in gewisser Weise paradigmatisch für die Versuche, das schwer fassbare Triest zu beschreiben. Dazu gehört auch Diego Maranis neueres Werk La città celeste (2021), ein Bildungsroman und eine Liebeserklärung an die Stadt.
Von Innen Nach Aussen
Ganz spezielle Reisebücher sind die von Triestern selbst verfassten Reiseführer über Triest: von Tre giorni a Trieste, das unter anderem von Baron Revoltella 1858 herausgegeben wurde, über Silvio Bencos Trieste von 1910 bis hin zu Corrado Premudas “Guidina” di Trieste (2020), das sich speziell an junge Leser richtet. Auktorialer und persönlicher ist Mauro Covacichs Trieste sottosopra (2006), das die hedonistische Seite der Triester zeigt, während Luigi Naccis Trieste selvatica (2019) einem anhand der Stimmen von Dichtern und Schriftstellern die Verbundenheit der Stadt mit dem wilden Karst rund um Triest zeigt.
Andere Werke von Nacci, dem Verfechter der viandanza, d.h. der Praxis, zu Fuß durch Gebiete zu reisen, um deren Bevölkerung, Geschichte und Besonderheiten besser kennenzulernen, umfassen eine Reihe von Büchern über Triest, die – getreu dieser Inspiration – von langsamen Reisen berichten: zu Fuß, mit dem Fahrrad, eventuell mit dem Zug oder Schiff. Es handelt sich um lange Erkundungen in einer Mischform zwischen den Tagebüchern und Reportagen von Paolo Rumiz, einem bekannten Journalisten und Korrespondenten der Balkankriege, und den goliardischen Fahrradabenteuern des Autors Diego Manna.
A bordo!
Mit der Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 wurde Triest das Tor zum Osten und weiter zum Roten Meer, nach Afrika, Indien, China und Japan. Die führenden Unternehmen bei diesem Abenteuer, das im 20. Jahrhundert auch Routen nach Amerika, Australien und Israel umfasste – und das nicht nur zum Zeitvertreib – , waren damals der Österreichische Lloyd (später Lloyd Triestino), Tripcovich, Austro-Americana und Cosulich.
Sopra:
Denn auf denselben Routen segelten auch wohlhabende Touristen auf der Suche nach exotischen Zielen sowie Migranten, die aufgrund Verfolgung oder wirtschaftlicher Not ihr Glück in anderen Ländern suchten. In den 20er und 30er Jahren war Triest eines der “Zions-Tore”, durch das die Juden aufbrachen, um den neuen Staat Israel aufzubauen. Diese Erfahrungen werden in den Büchern Quaderno d’Israele (1967) und Carcere a Giaffa (1969) von Giorgio Voghera beschrieben.