Fulvio Tomizza
Der Schriftsteller, der sich selbst als Grenzbürger bezeichnete und versuchte, die verschiedenen Seelen zu vereinen
Tomizza wurde in Giurizzani, einer Ortschaft von Materada in Istrien, als Sohn eines kleinen italienischsprachigen Landbesitzers und einer Frau slawischer Herkunft geboren und verbrachte aufgrund der Spannungen, die sein Land während der Jahre des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs prägten, eine schwere Kindheit. Obwohl sein Vater nach seiner Inhaftierung und der Konfiszierung seines Besitzes nach Triest zog, blieb Tomizza im kommunistischen Jugoslawien, machte sein Abitur in Koper und setzte sein Studium in Belgrad fort. Erst als mit dem Londoner Memorandum von 1954 Istrien zu Jugoslawien kam, beschloss er, sich in Triest niederzulassen, wo er zunächst bei Radio Trieste und dann bei der lokalen RAI eine journalistische Laufbahn einschlug.
Sein Debüt als Romanautor ist dem Drama der istrischen Bevölkerung gewidmet: Materada (1960), La ragazza di Petrovia (1963) und Il bosco di acacie («Der Akazienwald», 1966) bilden die so genannte Trilogia istriana und stellen eine Art Bauern-Epos mit dem konstanten Thema des Identitätsverlusts der Flüchtlinge im Zentrum komplexer geopolitischer, institutioneller und ideologischer Verstrickungen dar, die die alte Weisheit und Lebenskunst einer Gemeinschaft erschüttern. Die gleichen Themen und Schauplätze inspirierten das Theaterstück Vera Verk, das 1963 in Triest aufgeführt wurde, und den Roman La miglior vita («Eine bessere Welt», 1977), der mit dem Strega-Preis ausgezeichnet wurde.
Istrier, Fiumaner, Dalmatiner
«Das Fischerboot, erdrückt von der Last dieser fliehenden Menschheit, lichtete den Anker (...) Bis zuletzt haftete mein Blick auf meinem Freund (...). Als er nur noch ein grauer Fleck im Blau war, wurde mir klar, dass mein Exil wirklich begonnen hatte.»
Enzo Bettiza, Esilio (1996)
Pier Antonio Quarantotti Gambini
Der Schriftsteller, Journalist und Bibliothekar Quarantotti Gambini, Sohn eines glühenden Irredentisten, besuchte das italienische Gymnasium in Capodistria / Koper und zog später nach Turin, wo er ein Jurastudium absolvierte und gleichzeitig eine Karriere als Journalist und Schriftsteller begann.
Während des Zweiten Weltkriegs, von 1943 bis 1945, wurde er Direktor der Städt. Bibliothek Triest. In den darauf folgenden Jahren leitete er den Radiosender Radio Venezia Giulia, ebenfalls in Triest, mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit der italienischen und internationalen Öffentlichkeit auf die Fragen der Ostgrenze und das Drama der istrischen Vertriebenen zu lenken. 1998 widmete ihm die Stadt Triest die Biblioteca comunale del popolo.
Der Titel L’onda dell’incrociatore («Ein Kinderspiel») des kraftvollen und ikonischen Kurzromans, mit dem Quarantotti Gambini 1948 den Bagutta-Preis gewann, geht auf eine Intuition von Umberto Saba zurück, der der spannenden Geschichte im Ruderclub Sacchetta damit Einheit verlieh. Die Handlung konzentriert sich wie auch in Gambinis anderen Romanen – La calda vita («Heiße Jugend», 1958) und I giochi di Norma (1964) – auf die Schattenseiten der Adoleszenz, die Grenze zwischen Kindheit und Erwachsensein, deren Übergang immer mit den ersten amourösen Turbulenzen einhergeht. In Primavera a Trieste: ricordi del ’45 (1951) erzählt er von den 40 Tagen, in denen die jugoslawischen Truppen die Kontrolle über das von den Nazifaschisten befreite, aber von Gewalt und Rache unterdrückte Triest hatten.
Renzo Rosso e Franco Vegliani
La dura spina («Der harte Stachel», 1963) von Renzo Rosso – ein weiterer Titel, der mit Umberto Saba zu tun hat, aus dessen Versen er entnommen ist – spielt ebenfalls in Triest in dem von Gewalt geprägten Jahr 1945, lässt aber die politische und persönliche Verletzungen filigran überlappen, während L’adescamento («Die Lockung», 1959) die ganze Distanz, aber auch die gegenseitige Anziehung zwischen der italienischen und der slowenischen Seele der Stadt bis zu einem tragischen Ende inszeniert. In dem Roman mit dem emblematischen Titel La frontiera («Die Grenze», 1964) von Franco Vegliani kommt zu der physischen “Grenze”, die je nach historischer Epoche und Dynamik die benachbarten Bevölkerungen in unterschiedlichen Proportionen trennt und einschließt, eine weitere hinzu, nämlich eine zeitliche, die von einem Spiel von Querverweisen und Spiegeln zwischen der Habsburger Ära und dem Faschismus in Dalmatien durchzogen ist.
Marisa Madieri
Marisa Madieri, geboren in Fiume (heute Rijeka), war ungarischer Herkunft und teilte mit anderen Schriftstellerinnen wie Nelida Milani und Anna Maria Mori, die den Schmerz des Exils miterlebt haben, das Thema der schwierigen Aufarbeitung der Erinnerung an die durch einen schweren und traumatischen Riss getrennte Kindheit. In ihrem Roman Verde acqua («Wassergrün», 1987) in Form eines Tagebuchs nehmen die Erinnerungen manchmal die Form der verlorenen Unschuld eines kleinen Mädchens an: Als dieses sich sich mit seinen slawischen Altersgenossen anfreundet, versteht es die unverhohlene Feindseligkeit der Erwachsenen nicht. Voller Misstrauen und Groll blicken diese auf die Einwanderer, die die leer stehenden Häuser der italienischen Vertriebenen in Fiume/Rijeka bewohnen. Als Kontrapunkt zur Erinnerung dient die Gegenwart in Triest, die durch ihre Kinder und ihrem Lebensgefährten Claudio Magris, den sie im Gymnasium kennengelernt hat, bereichert wird.
Linea di demarcazione del TLT – ph. Adriano De Rota > coll. Fondazione CRTrieste c/o Fototeca CMSA