Irredentismus

Die Bestrebungen von Italienern und Slowenen - den bevölkerungsreichsten nationalen Gruppen der Stadt - standen sich im österreichischen Triest gegenüber und speisten sich aus der literarischen Auseinandersetzung damit. Zeitungen und Bücher wurden zum Schlachtfeld der renommiertesten Autoren der Triester "Irrendentismen".

Die "Unabhängigen"

Die Zeitung L’Indipendente (“Die Unabhängige”) war die Kriegsmaschine des Triester Irredentismus.

L’Indipendente war nicht nur die radikalste Zeitung, sondern auch der Ort, an dem sich irredentistische Intellektuelle und Schriftsteller trafen und anfreundeten: Giulio Cesari, Cesare Rossi, Riccardo Zampieri, Alberto Boccardi, Silvio Benco, Italo Svevo und andere. Fast alle von ihnen wurden 1883 der «Störung der öffentlichen Ruhe» beschuldigt, was einerseits die Redaktion dezimierte und andererseits neue Kräfte mobilisierte. Die literarischen Vorbilder dieser Autoren standen im Zusammenhang mit dem italienischen Risorgimento und waren daher überholt, doch die Zeitung publizierte auch Svevos Senilità als Feuilletonroman.

Cesare Rossi, Riccardo Zampieri, Italo Svevo, 1850 ca. - coll. priv.
Cesare Rossi, Riccardo Zampieri und Italo Svevo, um 1885 > Private Sammlung
Silvio Benco, 1900 – coll. Fototeca CMSA – ph. Pietro Opiglia
Silvio Benco, 1900 – coll. Fototeca CMSA – ph. Pietro Opiglia

Silvio Benco

1890 begann der sehr junge Benco in der Redaktion der Zeitung L’Indipendente seine lange Karriere als Journalist, in der er neben Romanen, Essays und Opernlibrettos fast 5.000 Artikel veröffentlichte.
Als Irredentist wurde er während des Ersten Weltkriegs von den Österreichern zusammen mit vielen anderen Triestern in einem Gefangenenlager interniert. 1919 gründete er die neue Tageszeitung La Nazione. Später durfte er wegen seiner Vorbehalte gegen den Faschismus bei der Zeitung Il Piccolo nicht mehr über Politik schreiben. 1943 war er aufgrund von Drohungen dazu gezwungen, die Redaktionsleitung aufzugeben und sich nach Turriaco im Friaul zurückzuziehen, wo er schließlich starb.

Trieste, 1874 – Turriaco (GO), 1949

Der andere "Irredentismus"

Das nationale Bewusstsein und die nationalen Bestrebungen der Slowenen entwickelten sich in Triest mit ähnlichen Mitteln, aber auf unterschiedliche Weise.

Die Geschichte des slowenischen Nationalismus überschnitt sich in Triest zunächst mit dem italienischen Risorgimento. 1848 wurde im Tergesteo, dem Sitz wichtiger Handelsbüros, der Slavjansko Društvo (Slawischer Verein) gegründet, der die Zeitschrift Slavjanski Rodoljub (Der slowenische Patriot) herausgab; 1861, im Jahr der italienischen Einigung, wurde die erste Čitalnica (Lesekabinett) gegründet, in der ab den ’70er Jahren die zweiwöchentlich erscheinende Edìnost gelesen werden konnte. Da inTriest 58.000 Slowenen lebten, während es in Ljubljana nur etwa 40.000 warenwar die Stadt eines der Zentren, in denen sich das slowenische Nationalgefühl inmitten von Autonomieforderungen und Unabhängigkeitsbestrebungen behaupten konnte.

Fran Levstik, Hinko Smrekar (ill.), Martin Krpan z Vrha, 1917 – coll. dLib.si
Fran Levstik, Hinko Smrekar (ill.), Martin Krpan z Vrha, 1917 – coll. dLib.si
Marco Moro, Galleria del Tergesteo in Trieste, 1850 ca. - coll.
Marco Moro, Galleria del Tergesteo in Trieste, 1850 ca. - coll.
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